Die Soresini-Linie am Piz Palu schwebt mir schon lange in den Hirnwindungen herum. Ich habe mir diese Kletterrroute schon lange angeschaut. Sie ist die Mutter meiner schlaflosen Nächte.
Eine echte Schönheit. Eine, bei der man auf die richtige Zeit mit den richtigen Bedingungen wartet, um sie zu befahren. Das Warten kann Jahre dauern. Es ist ein bisschen, wie die Frau seiner Träume zu Umwerben. Ob es jemals zu einem erfolgreichen Aufeinandertreffen kommt, bleibt stets ungewiss.
Wir erreichen den Gipfel des Piz Palù auf 3901 Metern gegen Mittag. Beim Steilwandskifahren ist der erste Schwung oft der schwierigste. Insbesondere, wenn es der Allererste, der noch nicht einmal begonnenen Skisaison ist. Es ist schließlich Mitte Oktober.
Die Skibeine wiederzuentdecken geht alles andere als automatisch. Schon im flachen Gelände fühlt sich diese Bewegung oft ungewohnt und kaum vertraut an. In ernsthaftem Steilwandgelände ist dies noch einmal eine weitere Steigerung. Die Knie zittern, der Kopf sagt nein, der Abgrund scheint endlos. Der Geist ist motiviert und ergebnissicher.
Kaum starten die ersten Schwünge, kommen die kleinen und fein aufeinander abgstimmten Bewegungen wieder zurück. Ich gehe voll im Moment des Tuns auf. Die Eisgeräte mit festem Griff in den Händen. Atemberaubende Eislandschaft um uns herum, werden wir ein Teil von ihr.
Wir erreichen die flache Gletscherzunge. Geschafft. Wir, Bruno und ich, fallen uns beide in die Arme. Glücklich schauen wir zurück auf die Abfahrt. Ich kann es noch nicht wirklich glauben. Ja, wir haben es geschafft.
Es ist still. Mein Herz ist mit Freude gefüllt. Der Winter hat gerade erst begonnen.

Informationen: Soresini, Piz Palu

Höhe: 3300 – 3882m
Schwierigkeit: AD+, Steilheit bis 55°
Exposition: Nordost
Ausgangspunkt: Capanna Diavolezza 2975m
Zeit: 3-5 Stunden
Weitere Informationen (italienisch)
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Text und Bilder: Giuliano Bordoni
Fahrer: Giuliano, Bruno Mottini
Vielen Dank.